Eine szenische Installation

Im Raum, eingeschlossen von wandernden Licht-/Bildreflexionen und Geräuschen, bewegt sich eine Namenlose. Sie lauscht. Es schreit in ihr. Sie wartet. Es nagt in ihr. Sie tanzt. Es zieht in ihr. Sie möchte fliehen aus dem ihr aufgezwungenen Verschwundensein.

Die Regisseurin Sophie Stierle verantwortet das Setting für die spartenübergreifende Installation/Performance. Die St.Galler Autorin Brigitte Schmid-Gugler hatte „Murgang“ ursprünglich aufgrund der Ereignisse um den Mord an einem Lehrer verfasst. Das zweite Opfer jener Tragödie, die Tochter des Mörders, musste untertauchen und lebt heute mit einer falschen Identität. Die aktualisierte Fassung des Textes weitet die Thematik aus – hin zu weiblicher Opferhaltung, menschlicher Vereinzelung, Rückzug und Existenzängsten.

Das sich frei bewegende Publikum wird Teil der „Grenzbegehung“. Es kann eintauchen in ein Gefühl, das uns alle angeht: Die Angst, (uns) zu verlieren.

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Fast alle Positionen der tragischen Geschichte um den St. Galler Lehrermörder Ded Gecaj wurden medial aufgearbeitet und beleuchtet. Die Zeitungen berichteten über den Vater, der sich in der Zelle umgebracht hat und das darauffolgende Verfahren, der getötete Lehrer Spririg und seine Frau gelangten in die Öffentlichkeit, über den Bruder von Besarta Gecaj samt Familie wurde ausführlich berichtet. Nur über das Opfer selbst – Besarta Gecaj, die von ihrem Vater misshandelt worden war – erfuhr man nichts.
Die Presse und die Behörden mussten die Identität von Besarta schützen. Der Preis, den sie für ihren Schutz bezahlen musste, war der Verlust ihrer Identität und damit auch der Verlust ihres sozialen Netzwerkes und ihrer Freiheit. Seit ihrem Aufbegehren gegen ihren Vater lebt sie als eine Frau ohne Vergangenheit und vermutlich mit der konstanten Angst, entdeckt zu werden.
Es macht fassungslos, dass sie als Inzest- und Gewaltopfer noch einmal zum Opfer gemacht wurde, indem man ihr das Dasein als die Person, die sie in Wahrheit ist, raubte. Die heute etwa 40-jährige Frau muss sich vor ihren Familienmitgliedern verstecken, um nicht von Ihnen aus Rachsucht getötet zu werden. Sie lebt mit einer ihr aufgezwungenen neuen Identität zwischen uns, ja, sie könnte sogar in der Aufführung im Publikum neben uns stehen, ohne dass man davon je erfahren würde.

Diese Frau steht exemplarisch für eine Masse von Frauen, die zum Schweigen gebracht werden, nicht in den Medien auftauchen und nicht als Heldinnen in Erscheinung treten. Diesen unerwähnten Geschichten möchten wir mit diesem Projekt einen Platz geben. Wir erzählen zwar eine fiktive Geschichte, aber mit klaren Verweisen zur Realität der existierenden Besarta.  
Im Zentrum des Projektes steht diese Frau und die Frage danach, wie sie als untergetauchte Person ihr Leben nach diesen Ereignissen weiterleben kann.
Diese Fragestellung führt zu weiteren Fragen, die die Grundlage für die Probenarbeit bilden:

Was bewegt eine Person, die ihre ursprüngliche Identität aufgeben musste?
Wie geht sie mit der Einsamkeit um?
Wie bewältigt sie das ihr angelegte „Lügenkorsett“?
Mit welchen Hoffnungen hält sie sich am Leben?
Welche Rituale und Bewegungsabläufen hat die Person verinnerlicht und folgt ihnen täglich?
Verdrängt sie ihr „früheres“ Leben oder schwelgt sie auch in Erinnerungen?
Was ist ihr von sich selbst und ihrem Leben geblieben?

Mitwirkende

Text: Brigitte Schmid-Gugler
Choreografie, Performance: Nelly Bütikofer
Klang: Marc Jenny
Stimme: Diana Dengler
Regie: Sophie Stierle
Bühnenbild: Robi Voigt
Kostüme: Marion Steiner
Technik: Thomas Kolter
Grafik: Hannah Traber
Produktionsleitung: Mira Paudler-Boss, Jacques Erlanger

Aufführungen und Tickets

19. April 2024
19:00
Kulturmarkt Zürich
Tickets

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